HaffNet, das Ärztenetz am Stettiner Haff

Teamarbeit, Innovationskraft und Nachwuchsförderung ziehen Ärztinnen und Ärzte aufs Land

Haffnet Leuchttum Uecker GettyImages

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Haffnet Logo

Das HaffNet ist ein regionales Ärztenetz in Mecklenburg-Vorpommern, welches gegründet wurde, um der ärztlichen Unterversorgung in der Region zu begegnen und die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen. Es wurde als Beispiel ausgewählt, weil es aufzeigt, wie sich dank des persönlichen Engagements Einzelner sowie einer gezielten Koordinierung der Versorgung auf Basis von Behandlungspfaden ein erfolgreiches, regionales Praxisnetz von Haus- und Fachärzten etablieren lässt – in diesem Fall mit einer solchen Strahlkraft, dass es zum attraktivitätssteigernden Magneten der Region selbst wurde.

Durchschnittsalter

Das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern liegt bei

0

Jahren

Renter/Rentnerinnen

Auf 100 Erwerbsfähige kommen im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern

0

Rentnerinnen und Rentner.

Ärzte/Ärztinnen

Für 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen gibt es im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern

0

ambulante Ärztinnen und Ärzte.

Hausärzte/Hausärztinnen

Im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern sind

0 %

der Hausärzte und -ärztinnen über 60 Jahre alt.

Fachärzte/Fachärztinnen

Im Landkreis Vorpommern-Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern sind

0 %

der Fachärzte und -ärztinnen über 60 Jahre alt.

  • Gründung: 2001
  • Rechtsform: HaffNet GbR & HaffNet Management GmbH
  • Status: Verstetigt, tragfähiges Geschäftsmodell
  • Schwerpunkt: Ambulante medizinische Versorgung

Steck­brief

Gründungsmotivation

Sicherung und Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum in der Versorgungsregion, besseren Arbeits(ver)teilung unter den ärztlichen Leistungserbringern und effiziente Einbindung aller regionalen medizinischen und pflegerischen Leistungserbringer

Typ

Durch Kassenärztiche Bundesvereinigung (KBV) anerkanntes Praxisnetz gem. § 87 SGB V, Vollversorgungsnetz basierend auf Verträgen nach § 140a SGB V sowie SAPV nach § 37b SGB V

Beteiligung

Mitgliedsbeiträge

Abdeckung

64 Haus- und Fachärzte, 15 nicht ärztliche Mitglieder (Stand 07/2023), Kooperationen mit Pflegediensten und stationären Einrichtungen

Rolle der Netzwerkorganisation

Koordinierung der Verbundleistungen, Strukturierung der Zusammenarbeit, Vertragsabstimmung mit Kostenträgern, strategische Weiterentwicklung der Netzwerkangebote

Prozesse

Strukturierung der Versorgung im Netzwerk über Behandlungspfade für häufige, insbesondere chronische Krankheitsbilder

IT-Strategie

Bisher keine einheitliche IT- Infrastruktur (freie Wahl des Praxisverwaltungssystem-Anbieters, PVS), aber einzelne Digitalisierungs-Pilotprojekte

HaffNet_Care Koordinatorin im Gespräch corporate

© HaffNet

Care-Koordinatorinnen, wie hier Jennifer R., unterstützen Demenzkranke und ihre Angehörigen in der Häuslichkeit.

Region

Das HaffNet hat seinen Namen vom Stettiner Haff, dem Binnengewässer kurz vor den Ostseeinseln Usedom und Wollin. Es liegt im äußersten Nordosten Mecklenburg-Vorpommerns an der polnischen Grenze im Mündungsbereich der Oder, der Peene und der Uecker. Das Seebad Ueckermünde bildet das touristische Zentrum und ist an der Südseite des Haffs gelegen. Die Region ist stark land- und forstwirtschaftlich geprägt: Biobauernhöfe, Kleingewerbe und touristische Angebote machen die dünn besiedelte Region attraktiv für Besucher und Einwohner. Das Durchschnittsalter liegt bei 47,7 Jahren, der Altenquotient bei 47,3.[1]


Gründungsmotivation


Das HaffNet ist ein freiwilliger Zusammenschluss von hausärztlichen und fachärztlichen Praxen in der Region Vorpommern-Greifswald. Es wurde im Jahr 2001 von 17 Haus- und Fachärzten sowie einem Grün- der mit kaufmännischem Hintergrund als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Fünf von ihnen bilden den Vorstand des Ärztenetzes. Die Gründungsinitiative entwickelte sich aus einem gut organisierten Stammtisch der Gründungsmitglieder heraus und war durch das gemeinsame Ziel motiviert, die medizinische Versorgung im ländlichen Raum der Versorgungsregion durch eine bessere Arbeits(ver)teilung unter den ärztlichen Leistungserbringern und durch eine effiziente Einbindung aller regionalen medizinischen und pflegerischen Leistungserbringer zu verbessern. Der nicht monetäre und vorrangige Anreiz, die Versorgung so zu organisieren und zu verteilen, dass es für die beteiligten Ärzte mit einem spürbaren Gewinn an Lebens- und Arbeitsqualität, insbesondere in Form von gewonnener Zeit, einhergeht, stand dabei im Vordergrund.


Managementgesellschaft und Geschäftsführung


Im Jahr 2005 wurde aufgrund des Wunsches einer verbindlicheren Strukturierung der Leistungsflüsse und zur Ermöglichung von Vertragspartnerschaften, insbesondere mit Kostenträgern und anderen Beteiligten im Gesundheitswesen, die HaffNet Management GmbH von 16 Mitgliedern des Ärztenetzes gegründet. Zwischen HaffNet GbR und HaffNet Management GmbH besteht ein Gesellschaftsversorgungsvertrag, in welchem die gegenseitigen Rechte und Pflichten festgeschrieben sind und insbesondere das Management der Versorgungsverträge an die Managementgesellschaft delegiert wird. Die Aufgaben der Management GmbH gliedern sich heute in die Bereiche hausärztliche und fachärztliche Versorgung – besetzt durch einen ärztlichen Geschäftsführer – sowie Versorgungsmanagement und kaufmännische Leitung, die ebenso durch je einen Geschäftsführer bzw. eine Geschäftsführerin vertreten sind. Die Geschäftsführung wird von drei Assistentinnen unterstützt. Darüber hinaus beschäftigt die HaffNet Management GmbH zwei Care-Koordinatoren und einen Arzt für die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV).

Care Koordinatorin groß Corporate

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Netzwerkmitglieder und Versorgungsabdeckung

Das oberste Organ des Netzwerkes ist die Netzkonferenz, sodass die Entscheidungs- und Beschlusskraft (bei einfacher Mehrheit) stets bei den Mitgliedern des Ärztenetzes liegt. Heute ist der Großteil der Ärzte in der Region im Netzwerk organisiert. Die reale Versorgungsabdeckung durch Netzwerkleistungen erreicht eine noch höhere Relevanz, weil auch Ärztinnen und Ärzte, die nicht Mitglieder des HaffNets sind, ganz eng in den Versorgungsablauf der Patientinnen und Patienten mit einbezogen werden. Der Verbund ist damit offen für Nichtmitglieder. Perspektivisch möchte das HaffNet diese Ärztinnen und Ärzte ebenfalls als Mitglieder des Netzwerkes gewinnen.


Akzeptanz und Vertrauen durch das Netzwerkmanagement


Das Management „von innen heraus“ unter Beteiligung kaufmännischer Mitarbeiter ohne ärztlichen Hintergrund wird vom Netzwerk selbst als essenzieller Erfolgsfaktor benannt, da es – im Vergleich zu ausschließlich ärztlichem oder extern eingekauftem Management – zu einer besseren Akzeptanz und mehr Vertrauen bei den Mitgliedern des Ärztenetzes führte. Darüber hinaus kam diese Art der kostengünstigen Netzwerkführung den begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Ärztenetzes nach dessen Gründung stark entgegen.


Startfinanzierung durch „Herzblut“ und Engagement


Die ersten Jahre nach der Gründung war das HaffNet auf das hohe persönliche Engagement und „Herzblut“ der Geschäftsführer angewiesen. Deren Arbeit war ideell motiviert und erfuhr kaum unmittelbaren finanziellen Ausgleich. Über den erhobenen Mitgliedsbeitrag in Höhe von zu Beginn 100 Euro jährlich (mittlerweile 150 Euro) konnte der Finanzbedarf bei Weitem nicht gedeckt werden. Diese finanzielle Hürde der Verstetigung konnte das HaffNet durch den Abschluss von Verträgen nach § 140a SGB V zu dedizierten Indikationen (z. B. zur Behandlung chronischer Wunden, zur interdisziplinären und fachübergreifenden Zusammenarbeit sowie zur SAPV) und Patientengruppen meistern. Darüber hinaus wurde die Industrie bei der Durchführung von Netzwerkkonferenzen und öffentlichen Veranstaltungen durch Sponsorenverträge (z. B. regionale Sanitätshäuser, Krankenkassen und Pharmaunternehmen) mit eingebunden. Durch diese Finanzmittel konnte die Netzarbeit aktiviert und in den ersten Jahren nach der Gründung kontinuierlich am Laufen gehalten werden. Den Durchbruch (im Sinne einer substanziellen Verstetigung des Netzwerkes) erreichte das HaffNet mit der Entscheidung, Vertragspartner aller gesetzlichen Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der SAPV gemäß § 37b SGB V zu werden. Auf diese Weise konnte das Netzwerk wachsen und die Hausärzte durch das Fachkräfteteam in der häuslichen Palliativversorgung massiv entlasten. Der gängige Weg der Finanzierung von Infrastrukturen, der Investitionen und neuer Versorgungsformen sind seither deren Initialisierung über Projekte (z.B. Innovationsfondsprojekte, gefördert vom Gemeinsamen Bundesausschuss) sowie die anschließende Refinanzierung und Überführung in Verträge mit den Krankenversicherungen.

 

Besondere Rolle der Kassenärztlichen Vereinigung

 

Das HaffNet hatte stets einen starken regionalen Unterstützer an seiner Seite, mit dem es seine Vorhaben abstimmt – die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KVMV). So wurden beispielsweise die vertraglichen Vereinbarungen mit den Kostenträgern zur SAPV über die KVMV getätigt. Auch in anderen Verhandlungen mit den Krankenkassen sowie bei Fragen des Berufsrechts unterstützte die Kassenärztliche Vereinigung des Landes substanziell. Dies ersparte die Suche und Finanzierung von Rechtsberatung bei den Verhandlungen zahlreicher Verträge. Die Unterstützung durch die KVMV wird auch heute noch als ein wichtiger Beitrag, der kaum monetär aufgewogen werden kann, von der Geschäftsführung der HaffNet Management GmbH betont.

 

 

HaffNet_Ärztenachwuchs Corporate

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Früh gebunden: Studierende bleiben nach der Facharztausbildung in der Region und arbeiten im Netzwerk.

Erfolgreiche Elemente der Netzwerkversorgung

Im Zuge seiner Verstetigung wurden im Ärztenetz unter anderem folgende Maßnahmen etabliert, die über die klassischen Elemente der Regelversorgung hinausgehen und zum Netzwerkerfolg essenziell beitragen:

  1. Systematische Entwicklung von Behandlungspfaden zur Definition und Beschreibung der gewünschten Abläufe und Überleitungspunkte zwischen hausärztlicher, fachärztlicher und stationärer Versorgung für häufige Patiententypen (insbesondere mit chronischen Erkrankungen) sowie zur besseren Strukturierung der regionalen Versorgung und Zusammenarbeit der Beteiligten unter gezielter Ansprache und Einbeziehung der notwendigen Akteure (Haus- und Fachärzte sowie Kliniken) zur Mitwirkung im Netzwerk. Dabei gilt die Maxime „ambulant vor stationär“. Bei der Entwicklung bezieht das Netzwerk auch Partner des Uniklinikums Greifswald ein, um die Pfade möglichst leitlinienkonform zu gestalten. Prinzipiell unterscheiden die Behandelnden des HaffNets nicht nach Versichertenzugehörigkeit, da man sich unabhängig von den IV-Verträgen mit einzelnen Kassen auf die Behandlungspfade einigen konnte. Dennoch werden die Behandlungspfade auch mit den beteiligten Kassen abgestimmt. Die Behandlungspfade werden vom Netzwerk selbst als zentrales Element des Netzwerkerfolgs benannt.
  2. Einbindung der großen Pflegedienste der Region als Kooperationspartner des Netzwerkes, z. B. durch § 140a SGB V über die Behandlung von Versicherten mit chronischen Wunden in einer spezialisierten Wundpraxis. In Zuge dessen wurden 48 Pflegekräfte aus Praxen und Pflegediensten zu zertifizierten Wundexperten (Initiative Chronische Wunden e.V., ICW) ausgebildet, die vom Netzwerk in Wundpraxen eingesetzt werden.
  3. Einsatz von Telemedizin in Form telemedizinischer Konsile in der Dermatologie. Da es sich abzeichnet, dass die Stellen der bisher ansässigen Dermatologen in der Region nicht nachbesetzt werden können, werden Hausärzte und Gynäkologen in die Lage versetzt, die Ergebnisse eines bildgebenden Verfahrens an die Experten der Dermatologie der Universität Greifswald zu senden. Von dort gibt es binnen weniger Tage die Therapieempfehlung zurück. Bei Bedarf kann eine schnelle Überweisung in die Hochschulambulanz veranlasst werden. Die Finanzierung dieses Projektes während der initialen Phase im ersten Jahr übernimmt das HaffNet selbst.

Erfolgsfaktoren und Blick in die Zukunft

Generell braucht es zur Erreichung der Netzwerkziele laut Aussagen des Vorstandes „einen harten Kern, der treibt“, sowie ein Team, das der Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten ist und einen Dienstleistungsgedanken verinnerlicht hat. In diesem Zusammenhang eher zurückhaltend agierende Netzwerkmitglieder lassen sich – entsprechend den Erfahrungen des HaffNets – am besten über projektbezogene Arbeit wie in Innovationsfondsprojekten aktivieren, die den Ärzten einen unmittelbaren Mehrwert bieten, sie im besten Fall zeitlich und vor allem bei administrativen Tätigkeiten entlasten. Durch strategische Partnerschaften und die Generierung eines spürbaren Mehrwertes für die Mitglieder hat sich das HaffNet über die Jahre zu einem Magneten mit hoher Anziehungskraft für die Region entwickelt. Das HaffNet übernimmt damit eine aktive Rolle in der Sicherstellung der regionalen Versorgung im ländlichen Raum. So wurde es zum Beispiel mit dem „Johannes-Stelling-Preis 2022“ für das Engagement im Rahmen der Impfkampagnen im Versorgungsgebiet ausgezeichnet. Der Fokus zukünftiger Entwicklungen des Netzwerkes wird auf einer engeren Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung (aktuell zum Beispiel im Bereich Pädiatrie) sowie dem Ausbau von Telemedizinlösungen liegen. Beispielsweise ist eine Übertragung der telemedizinischen Lösung in der Dermatologie auch auf andere Bereiche wie die Radiologie denkbar.

Quelle:

Regionaldatenbank Deutschland: Tabelle abrufen (regionalstatistik.de)

  • Das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Deutschland (Stand 31.12.2021)
  • Anzahl Rentner auf 100 Erwerbsfähige (Altenquotient, Stand 31.12.2021)
  • Anteil der Hausärzte über 60 Jahren in Prozent (Quelle: Stiftung Gesundheit)
  • Anteil der Fachärzte über 60 Jahren in Prozent (Quelle: Stiftung Gesundheit)
  • Ambulante Ärzte pro 100.000 EW (Quelle: Stiftung Gesundheit)

Literaturverzeichnis

1 Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg. 2023): Durchschnittsalter der Bevölkerung zum Stichtag [31.12.2021]. Regionale Tiefe: Kreise und kreisfreie Städte. [02.08.2023] sowie Jugendquotient, Altenquotient zum Stichtag [31.12.2021]

Alle Beispiele