prosper/proGesund Modell der KNAPPSCHAFT

Managed Care mit regionaler Verankerung im Ruhrpott

prosper Fördergerüst Bochum

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prosper Logo

Die prosper/proGesund-Gesundheitsnetze sind ein deutschlandweit einzigartiges Erfolgsmodell, in welchem die KNAPPSCHAFT als gesetzliche Krankenversicherung die Verbesserung der regionalen Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten in acht Regionen Deutschlands selbst in die Hand genommen hat – und das bereits seit dem Jahr 1999. Die Motivation zur Gründung der prosper/proGesund-Netze resultierte aus den Bedarfen der Knappschaftsversicherten, die aus Beschäftigten im klassischen Bergbau und deren Familien bestand. Angesichts des hohen Durchschnittsalters, der hohen Krankheitslast, erhöhter Morbiditätsraten sowie Pflegebedürftigkeit unter ihren Versicherten sah sich die KNAPPSCHAFT mit der Notwendigkeit konfrontiert, frühzeitig neue Wege zu gehen. Die prosper/proGesund-Netze zielen auf eine ressourcenschonende, intersektorale Versorgung zwischen Haus- und Fachärzten, Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen ab. Damit soll ein wirtschaftlicher Umgang mit der gegebenen Krankheitslast der Knappschaftsversicherten in den jeweiligen Regionen erreicht und die Versorgung effizienter gestaltet werden. Prävention wird auf verschiedene Weise systematisch im ärztlichen Handeln verankert.

Durchschnittsalter

Das Durchschnittsalter der Bevölkerung im Landkreis Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen liegt bei

0

Jahren

Renter/Rentnerinnen

Auf 100 Erwerbsfähige kommen im Landkreis Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen

0

Rentnerinnen und Rentner.

Ärzte/Ärztinnen

Für 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen gibt es im Landkreis Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen

0

ambulante Ärztinnen und Ärzte.

Hausärzte/Hausärztinnen

Im Landkreis Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen sind

0 %

der Hausärzte und -ärztinnen über 60 Jahre alt.

Fachärzte/Fachärztinnen

Im Landkreis Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen sind

0 %

der Fachärzte und -ärztinnen über 60 Jahre alt.

  • Gründung: 1999
  • Rechtsform: Grundlage und Betrieb der Netze durch die KNAPPSCHAFT
  • Status: Verstetigt, acht Netze bundesweit
  • Schwerpunkt: Populationsbezogene integrierte Versorgung

Steck­brief

Gründungsmotivation

Ungünstige Morbiditäts- und Kostenentwicklung unter Versicherten Mitte der 1990er-Jahre, da die KNAPPSCHAFT eine geschlossene, berufsständische Versicherung des klassischen Bergbaus war (Versicherte mit hohem Durchschnittsalter, vielen Erkrankungen, erhöhter Sterberate)

Typ

Modellnetz nach §140a-d SGB V (da Gründung aller Netze bis 2015)

Abdeckung

Jeweils circa 1.000 niedergelassene Haus- und Fachärzte, 20 Netzkrankenhäuser bzw. Beteiligungsgesellschaften, 2 Rehakliniken (über die 8 Netze hinweg)

Rolle der Netzwerkorganisation

Hohe regionale Autonomie jedes einzelnen Netzes, KNAPPSCHAFT als Managed-Care-Organisation, Steuerung der sektorenübergreifenden Versorgung über Anreizsysteme

Prozesse

Disease-Management-Programme, klare Rollen und Zuständigkeiten der Akteure im Netz

IT-Strategie

Keine netzweite IT-Strategie, keine sektorenübergreifende digitale Vernetzung

prosper Arzt mit Patientin

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Region

Eng verzweigt mit dem Steinkohlebergbau, ist das nördliche Ruhrgebiet die geografische Kernregion der KNAPPSCHAFT. Jahrzehntelang hatte der Bergbau die Wirtschaft vorangetrieben. An vielen Orten gab es Zechen, die mittlerweile alle geschlossen sind. Mit dem Strukturwandel verlor die Montanindustrie an Bedeutung. Heute gelten Teile des mit ca. 1.200 Einwohnern pro km2 dicht besiedelten Ruhrgebiets als strukturschwach. Hinzu kommt eine schlechte Finanzlage von Städten wie Gelsenkirchen, Recklinghausen oder Bottrop, die Spielräume extrem einschränkt. Im Unterschied zu anderen Regionen ist das Ruhrgebiet jung: Das Durchschnittsalter in Gelsenkirchen liegt bei 43,3 Jahren, der Altenquotient bei 35,4. Die entsprechenden Werte für Bottrop liegen bei 45,5 bzw. 39,5.[1]

 

Hintergrund und Gründungsmotivation

Die KNAPPSCHAFT kann als ältester Versicherungsträger Deutschlands bezeichnet werden, mit Wurzeln, die bis ins Mittelalter zurückreichen. In der geschlossenen Krankenversicherung wurden bis zu ihrer Öffnung für alle gesetzlichen Krankenversicherten im Jahr 2007 ausschließlich Beschäftigte des Bergbaus, deren Familienangehörige sowie Knappschaftsangestellte versichert. Aufgrund der unfallträchtigen Tätigkeit im Bergbau übernahmen spezielle Knappschaftsärzte – neben ihren ärztlichen Tätigkeiten in einer Kassenärztlichen Vereinigung – zusätzlich besondere Verpflichtungen wie zum Beispiel die Bereitschaft, bei Grubenunglücken vor Ort zu helfen und unter Tage Verletzte zu versorgen. Neben der hohen Unfallquote zeichnete sich der Versichertenbestand aufgrund der Arbeit im Bergbau weiterhin durch häufig erkrankte, multimorbide männliche Patienten aus. Der durchschnittliche Versicherte war 10 Jahre älter als bei anderen gesetzlichen Krankenkassen. Noch heute sieht sich die KNAPPSCHAFT den Herausforderungen von dreimal mehr Pflegebedürftigen und einer etwa doppelt so hohen Sterblichkeitsrate ihrer Versicherten gegenüber, wenngleich der Versichertenanteil von Männern und Frauen mittlerweile fast paritätisch verteilt ist. Infolge dieser Herausforderungen sah sich die KNAPPSCHAFT früher als andere Versicherungsträger gezwungen, neue Wege der Versorgung zu beschreiten.

Die KNAPPSCHAFT nimmt in der GKV-Landschaft eine Sonderrolle ein und kann als Vorreiter erfolgreicher Managed-Care-Organisationen in Deutschland bezeichnet werden. Die Grundlage bildet das knappschaftliche Verbundsystem: Über eigene Kliniken und Ärztenetze (Knappschaftskrankenhäuser bzw. Beteiligungsgesellschaften, Reha-Kliniken, sozialmedizinischer Dienst, Knappschaftsarztsystem) tritt sie sowohl als Anbieter und Abrechnungsstelle für die dort erbrachten medizinischen Leistungen auf als auch als Kostenträger für ihre Versicherten. Neben der Kranken- und Pflegeversicherung gehört auch die Rentenversicherung zur KNAPPSCHAFT. Außerdem macht sich die Sonderrolle positiv in der Vergütung der ambulanten Arztleistungen bemerkbar. Darüber hinaus übernimmt das Knappschaftsarztsystem die Funktion der Kassenärztlichen Vereinigung.

Gründung und Status quo

Das erste prosper-Netz wurde bereits im Jahr 1999 in Bottrop gegründet – kurz vor der gesetzlichen Verankerung der integrierten Versorgung mit der Gesundheitsreform im Jahr 2000. Mittlerweile existieren acht prosper/proGesund-Vollversorgungsnetze, in denen sich aktuell rund 2.000 niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie die Ärzte der 20 Netzkrankenhäuser für eine wirtschaftliche, ressourcen- schonende und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung von etwa 230.000 teilnehmenden Knappschaftsversicherten – bei circa 1,4 Millionen Versicherten insgesamt – engagieren. Bei den Netzkrankenhäusern handelt es sich größtenteils um ehemals knappschaftseigene Einrichtungen, die mittlerweile in Krankenhaus-Beteiligungsgesellschaften umgewandelt wurden und an denen die KNAPPSCHAFT Anteile zwischen 50 % und 100 % innehat. Die prosper/pro- Gesund-Netze sind regional klar abgegrenzte Vollversorgungsnetze auf vertraglicher Grundlage des § 140a-d SGB V in seiner damals geltenden Fassung, da alle Netze vor dem Jahr 2015 gegründet wurden. Ausschlaggebend für die Netzgründung ist jeweils eine möglichst hohe Anzahl an Versicherten der KNAPPSCHAFT in einer Region. Das erste, in Bottrop gegründete, prosper-Netz wurde aus dem Kreis der regional ansässigen Knappschaftsärzte heraus gegründet, die selbst bereits regelmäßig in Stammtischen und Qualitätszirkeln mit Blick auf die Verbesserung der Versorgung in der Region zusammenkamen. Damit umfasst das prosper-Netz Bottrop exklusiv Knappschaftsärzte, was die ersten Schritte der Netzgründung, -testung und des Netzmanagements vereinfachte. Nachfolgend gegründete prosper/ proGesund-Netze umfassen neben Knappschaftsärzten auch Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigungen. Mit der Gründung des prosper-Netzes in der Lausitz entstand weiterhin ein Netz, das vier Kranken- häuser ohne Beteiligung der KNAPPSCHAFT sowie ausschließlich Ärzte, die mit der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg abrechnen, umfasst. Dies resultiert daraus, dass in den neuen Bundesländern kein Knappschaftsarztsystem existierte, auf das zurückgegriffen werden konnte.

 

Vergütung, Netzfinanzierung und Erfolgsbeteiligung

Die Knappschaftsärzte rechnen die Leistungen an Knappschaftspatienten direkt mit der KNAPPSCHAFT ab. Damit erhalten sie ein zusätzliches Budget neben dem Budget der gesetzlichen Krankenversicherung, über welches sie alle gesetzlich versicherten (GKV-)Patienten abrechnen. Dies ist ein gut funktionierendes monetäres Anreizsystem für die Ärzteschaft. Darüber hinaus werden alle Netzärzte, also Knappschaftsärzte und Ärzte der KV, durch ein effizienzorientiertes Anreizsystem am Netzerfolg beteiligt. Der Netzerfolg für eine Netzpopulation wird auf Basis der eingesparten Kosten für die Netzversicherten einer Region zu einer in Alters- und Morbiditätsstruktur übereinstimmenden, also risikogleichen Referenzgruppe von nicht im Netz eingeschriebenen Versicherten aus einer vergleichbaren Region ermittelt. Auch wenn der Netzerfolg jährlichen Schwankungen unterliegt, verursachen prosper/proGesund-Versicherte nachweislich geringere Kosten im Vergleich zur Regelversorgung – die Einsparungen liegen zwischen 70 und 165 Euro je Versicherten. Damit sparen die prosper/ proGesund-Netze gemeinsam jährlich zwischen 25 und 40 Millionen Euro an Leistungsausgaben ein. Hieran partizipieren die Netzteilnehmer spürbar, denn sie werden über eine aufwandsbasierte Erfolgsausschüttung an diesen Einsparungen beteiligt.

Woher kommt der Name prosper/proGesund?
„Prosperieren“, d. h. sich günstig entwickeln, gut gedeihen, gut vorankommen – genau das wollten die Knappschaftsnetze erreichen. Außerdem war in Bottrop – der Region des ersten prosper-Netzes – bis zum 21.12.2018 das Bergwerk Prosper-Haniel aktiv und damit ebenso verantwortlich für die Namensgebung. Mittlerweile heißt das System der Knappschaftsnetze prosper/proGesund, um insbesondere in der Region Recklinghausen die Namensrechte des Prosper-Hospital Recklinghausen, das selbst keine Krankenhaus-Beteiligungsgesellschaft der KNAPPSCHAFT ist, nicht zu verletzen.

 

Kennzahlenbasierte Performance-Messung

Die Performance der teilnehmenden Haus- und Fachärzte wird anhand klar definierter Kennzahlen gemessen. Dazu werden vier Bereiche betrachtet, die mit unterschiedlicher Gewichtung in die Berechnung der Gesamtleistung einfließen:

  • Anzahl behandelter Knappschaftsversicherter (zu 25 %)
  • Krankenhauseinweisungen (zu 40%), unter Betrachtung der Anzahl entstandener Krankenhausfälle, gleich verteilt auf alle an einem Fall beteiligten Ärzte und unter Berücksichtigung der Zuweisung zu Netzkrankenhäusern (sofern notwendige Fachkompetenz vorhanden ist) oder Nichtnetzkrankenhäusern
  • Volumen der Medikationsverordnungen (zu 25 %), als morbiditätsgewichtete Medikationskosten
  • Netztreue (zu 10 %), für die regelmäßige Teilnahme von Praxen an Netzkonferenzen (mindestens zwei pro Jahr)

Jene Praxen, die auf eine kostenbewusste Verordnung von Medikationen und auf medizinisch erforderliche Krankenhauseinweisungen von Patienten achten, erhalten eine Erfolgsbeteiligung. Da Krankenhausfälle für die KNAPPSCHAFT weiterhin um die 40 % aller Ausgaben verursachen, schlagen sich diese auch als wichtigste Stellschraube in der Performanceberechnung nieder. Durch das monetäre Anreizsystem gelingt es, unnötige Krankenhausfälle durch gezielte ärztliche Behandlung oder auch durch einen zusätzlichen Hausbesuch am Wochenende zu vermeiden und damit Kosten zu sparen. Dazu sind mit den Haus- und Fachärzten sowie den Netzkrankenhäusern zahlreiche zusätzliche Pflichten vertraglich vereinbart.

 

Patientennutzen und -beteiligung

Neben der prozentualen Ausschüttung des jährlichen Netzerfolgs an ärztliche Netzteilnehmer und Krankenhäuser erhalten auch Knappschaftspatienten Prämien, wenn sie konsequent die vorhandenen Versorgungsangebote nutzen und notwendige medizinische Leistungen so in Anspruch nehmen, dass eine abgestimmte Versorgung innerhalb des Netzes möglich ist. Dafür erhalten sie eine Treueprämie in Höhe von 40 Euro pro Jahr, wenn sie im ambulanten Bereich versorgt werden, und zusätzlich 60Euro, falls auch eine Krankenhausbehandlung notwendig ist und diese im Netzkrankenhaus er- folgt. Dies steigert die Kundenbindung: Die teilnehmenden Knappschaftspatienten haben eine um 60 % reduzierte Wahrscheinlichkeit, ihre Krankenkasse zu kündigen. Mit Prämienzahlung reduziert sie sich sogar um 90%. Dies spiegelt eine hohe Kundenzufriedenheit von Knappschaftspatienten in prosper/proGesund-Netze wider.

Netzmanagement und -organisation

Die insgesamt acht prosper/proGesund-Netze werden vom Bereich Versorgungsmanagement der KNAPPSCHAFT moderiert. Dennoch besitzt jedes Netz weiterhin eine hohe Autonomie und einen eigenen Vorstand, in dem häufig auch der Vorsitzende des lokalen Knappschaftsarztverbandes vertreten ist. Die KNAPPSCHAFT selbst ist ebenfalls Teil des Vorstands und stellt pro Netz einen Netzkoordinator. Das Management der Netze wird nicht zentral organisiert, sondern ist regional angepasst. Die Netzvorstände treffen sich alle 6–8 Wochen. Zudem finden pro Jahr mindestens zwei Konferenzen statt, in denen alle Beteiligten – d. h. Haus- und Fachärzte, Krankenhäuser und Netzvorstand – in den interdisziplinären, sektorenübergreifenden Erfahrungsaustausch treten, die aktuelle regionale Zusammenarbeit im Netz reflektieren oder sich zu aktuellen medizinischen Themen austauschen. Die Netzkonferenzen fungieren damit als „Parlament“ eines Netzes.

 

Sektorenübergreifende, qualitätsorientierte Netzarbeit

Die prosper/proGesund-Netze verbinden die eingeschriebenen Versicherten, niedergelassenen Netzärzte und Netzkrankenhäuser miteinander. Neben den Netzkonferenzen forcieren Schnittstellen- Arbeitsgruppen, Arzneimittel-Arbeitsgruppen und Fallkonferenzen die sektorenübergreifende Zusammenarbeit. Das gemeinsame Ziel ist es, dadurch die transsektorale Zusammenarbeit und Kommunikation sicherzustellen und zu verbessern und letztlich eine wirtschaftliche, patientenorientierte und qualitativ hochwertige Versorgung zu ermöglichen.

Die Qualität der Versorgung in prosper/proGesund-Netzen wird regelmäßig gemessen und ausgewertet. Dazu wird ein Instrument genutzt, das auf QISA-Indikatoren (Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung, entwickelt vom AOK-Bundesverband und dem aQua Institut) sowie auf Indikatoren der Disease-Management-Programme beruht und damit insbesondere chronische Erkrankungen umfasst. Identifizierte Ansatzpunkte zur Verbesserung der Versorgungsqualität werden auf Netzebene verbindlich zwischen den Netzteilnehmern vereinbart. Ein gutes Beispiel für das Qualitätsmanagement sind Maßnahmen in der Arzneimittelversorgung und zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit. Arzneimittel-Arbeitsgruppen erarbeiten gemeinsame Empfehlungen für häufige Indikationen und erstellen Substitutionslisten oft verordneter Wirkstoffe für die Netze. Sie sichern so ein gemeinsames sowie nebenwirkungsarmes, wirtschaftliches und wirksames Verordnungsverhalten im ambulanten und stationären Bereich. Im Ergebnis ist beispielsweise die Polymedikation – in diesem Fall fünf und mehr dauerhaft nebeneinander verordnete Arzneimittel – bei über 65-jährigen Knappschaftspatienten in prosper/proGesund-Netzen deutlich geringer.

Sektorenübergreifende, qualitätsorientierte Netzarbeit

Die prosper/proGesund-Netze verbinden die eingeschriebenen Versicherten, niedergelassenen Netzärzte und Netzkrankenhäuser miteinander. Neben den Netzkonferenzen forcieren Schnittstellen- Arbeitsgruppen, Arzneimittel-Arbeitsgruppen und Fallkonferenzen die sektorenübergreifende Zusammenarbeit. Das gemeinsame Ziel ist es, dadurch die transsektorale Zusammenarbeit und Kommunikation sicherzustellen und zu verbessern und letztlich eine wirtschaftliche, patientenorientierte und qualitativ hochwertige Versorgung zu ermöglichen.

Die Qualität der Versorgung in prosper/proGesund-Netzen wird regelmäßig gemessen und ausgewertet. Dazu wird ein Instrument genutzt, das auf QISA-Indikatoren (Qualitätsindikatorensystem für die ambulante Versorgung, entwickelt vom AOK-Bundesverband und dem aQua Institut) sowie auf Indikatoren der Disease-Management-Programme beruht und damit insbesondere chronische Erkrankungen umfasst. Identifizierte Ansatzpunkte zur Verbesserung der Versorgungsqualität werden auf Netzebene verbindlich zwischen den Netzteilnehmern vereinbart. Ein gutes Beispiel für das Qualitätsmanagement sind Maßnahmen in der Arzneimittelversorgung und zur Erhöhung der Arzneimittelsicherheit. Arzneimittel-Arbeitsgruppen erarbeiten gemeinsame Empfehlungen für häufige Indikationen und erstellen Substitutionslisten oft verordneter Wirkstoffe für die Netze. Sie sichern so ein gemeinsames sowie nebenwirkungsarmes, wirtschaftliches und wirksames Verordnungsverhalten im ambulanten und stationären Bereich. Im Ergebnis ist beispielsweise die Polymedikation – in diesem Fall fünf und mehr dauerhaft nebeneinander verordnete Arzneimittel – bei über 65-jährigen Knappschaftspatienten in prosper/proGesund-Netzen deutlich geringer.

Managed Care ist ein Steuerungsmodell im Gesundheitswesen, das darauf abzielt, die Kosten zu kontrollieren und die Qualität der Versorgung durch Koordination von Gesundheitsdiensten und Anreize für Gesundheitsdienstleister und Verbraucher zu verbessern. Managed-Care-Organisationen schließen zur Versorgung ihrer Mitglieder Verträge mit Gesundheitsdienstleistern wie Krankenhäusern und Ärzten, ab auch in Verbindung mit Disease-Management-Programmen. Managed Care soll umfassende und kostengünstige Gesundheitsdienste bei hoher Versorgungsqualität für Verbraucher bereitstellen.[2]

Hürden

„Gesundheit wird von Menschen gemacht“ – dieser Grundsatz gilt auch für ein erfolgreiches Gesundheitsnetz. Obwohl zum Beispiel die Gründung des ersten prosper-Netzes in Bottrop aus der Region heraus großen Zuspruch erfuhr, wurden von manchen, sich nicht am Netz beteiligenden, Praxen Bevormundung der Patienten und Knebelverträge vorgeworfen. Einige Praxen nahmen deshalb nicht am Netz teil, weil sie keine Überweisungen tätigen wollten. Auch Patienten waren skeptisch, sich an Netzkrankenhäuser zu binden. Für sie ist auch die regionale Abgrenzung der Netze vereinzelt problematisch, beispielsweise wenn der eigene Hausarzt nicht Teil des prosper/proGesund-Netzes ist.

Lessons Learned

Zur Übertragung geeignet

  • Krankenversicherung als Initiator und Träger neuer regionaler Versorgungslösungen im Netzverbund
  • Ressourcenschonung und Effizienzsteigerung durch Maxime „ambulant vor stationär“
  • Kennzahlenbasierte Performance- und Qualitätsbewertung und Prämienausschüttung
  • Direkte Patientenbeteiligung

Hürden der Verstetigung

  • Mangelnde Akzeptanz einiger regionaler Akteure (auch in der Ärzteschaft)
  • Zuschnitt und Begrenzung auf Versicherte der KNAPPSCHAFT

Faktoren des Gelingens

  • Traditionelles knappschaftliches Verbundsystem als Grundlage für die Entwicklung der prosper/proGesund-Netze
  • Regionen mit hoher Anzahl an Knappschaftspatienten
  • Hohe regionale Autonomie der einzelnen Netze
  • Erfolgreiches monetäres Anreizsystem für die Netzarbeit der Ärzteschaft (extrabudgetäre Vergütung)

Perspektiven

Bisher existieren keine Bestrebungen, weitere prosper/proGesund- Netze in anderen Regionen Deutschlands zu gründen. Stattdessen sind regionale Zuschnitte bestehender Netze denkbar. Darüber hinaus wird die digitale Transformation im Gesundheitswesen als große Chance für eine positive Weiterentwicklung, Effizienzsteigerung und Ressourcenschonung in den prosper/proGesund-Netzen verstanden. Zum derzeitigen Stand werden keine einheitlichen digitalen Anwendungen zur sektorenübergreifenden Vernetzung der Akteure, z. B. denkbar für das Entlassmanagement, eingesetzt. Hier leistet immer noch das Fax seinen Dienst. Bisherige Vorstöße zur Digitalisierung in prosper/proGesund-Netzen fanden aus Gründen fehlender Praktikabilität und Interoperabilität keine langfristige Umsetzung. Man setzt auf die Vorteile der etablierten Netzstrukturen, um digitale Lösungen sukzessive zu ergänzen, sofern deren Nutzen für die Anwender – Ärzte und Patienten – gegenüber dem Status quo deutlich spürbar ist.

Quelle:

Regionaldatenbank Deutschland: Tabelle abrufen (regionalstatistik.de)

  • Das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Deutschland (Stand 31.12.2021)
  • Anzahl Rentner auf 100 Erwerbsfähige (Altenquotient, Stand 31.12.2021)
  • Anteil der Hausärzte über 60 Jahren in Prozent (Quelle: Stiftung Gesundheit)
  • Anteil der Fachärzte über 60 Jahren in Prozent (Quelle: Stiftung Gesundheit)
  • Ambulante Ärzte pro 100.000 EW (Quelle: Stiftung Gesundheit)

Literaturverzeichnis

1 Statistische Ämter des Bundes und der Länder (Hrsg. 2023): Durchschnittsalter der Bevölkerung zum Stichtag [31.12.2021]. Regionale Tiefe: Kreise und kreisfreie Städte.[02.08.2023] sowie Jugendquotient, Altenquotient zum Stichtag [31.12.2021]

Amelung, V. E., Mühlbacher, A. ,Krauth, C. (2018): Managed Care. Gabler Wirtschaftslexikon.

Alle Beispiele